GSB 7.1 Standardlösung

Navigation und Service

Gefährdungsbeurteilung Interaktionsarbeit

Gefährdungsbeurteilung bei Interaktionsarbeit: Spezifische Belastungen systematisch erfassen und präventiv handeln

Die Gefährdungsbeurteilung (GB) ist ein zentrales Instrument des Arbeitsschutzes, um Risiken für die Gesundheit von Beschäftigten systematisch zu erfassen und geeignete Schutzmaßnahmen abzuleiten. Während physische Belastungen in der GB gut etabliert sind, werden psychosoziale Belastungen, insbesondere solche aus der Interaktionsarbeit, häufig nicht ausreichend berücksichtigt. Dabei sind Beschäftigte in Berufen mit hoher sozialer Interaktion, wie im Gesundheitswesen, in der Sozialarbeit, im Kundenservice oder in Bildungseinrichtungen, erheblichen spezifischen Belastungen ausgesetzt, die nicht nur ihre psychische Gesundheit, sondern auch ihre Leistungsfähigkeit und Motivation beeinflussen können.

Herausforderungen der Gefährdungsbeurteilung bei Interaktionsarbeit

Obwohl das Arbeitsschutzgesetz seit 2013 explizit auch die Erfassung psychischer Belastungen fordert, zeigt sich in der Praxis, dass die spezifischen Herausforderungen der Interaktionsarbeit oft unzureichend berücksichtigt werden. Eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) ergab, dass ca. 79 % der Unternehmen psychische Belastungen nicht systematisch erfassen. Die Gründe dafür sind vielfältig:

  1. Fehlende Erhebungsinstrumente: Die meisten GB-Verfahren sind auf physische Belastungen zugeschnitten und erfassen psychosoziale Faktoren nur oberflächlich oder gar nicht.
  2. Unsichtbarkeit interaktionsspezifischer Belastungen: Belastungen durch emotionale Arbeit, Konflikte mit Kunden oder Patientinnen und hohe Verantwortung sind schwer objektivierbar.
  3. Mangelndes Bewusstsein: Viele Führungskräfte und Unternehmen unterschätzen die Auswirkungen der Interaktionsarbeit auf die psychische Gesundheit.
  4. Komplexität der Erhebung: Während physische Gefährdungen durch Messgeräte objektiviert werden können, erfordert die Erfassung psychosozialer Belastungen qualitative Methoden wie Befragungen oder Beobachtungen.

Typische Belastungen in der Interaktionsarbeit

Die Interaktionsarbeit stellt besondere Anforderungen an die Beschäftigten. Die häufigsten Belastungen umfassen:

  • Emotionale Arbeit: Beschäftigte müssen ihre eigenen Emotionen regulieren und gleichzeitig empathisch auf die Emotionen anderer eingehen, selbst in belastenden oder herausfordernden Situationen.
  • Konflikte und Konfrontationen: Insbesondere in Dienstleistungsberufen oder der Pflege sind Beschäftigte häufig mit verbalen Angriffen oder aggressivem Verhalten konfrontiert.
  • Erwartungsdruck: Hohe Kundenerwartungen oder das Spannungsfeld zwischen betrieblichen Anforderungen und individuellen Bedürfnissen der Klientinnen und Kunden können zu Stress führen.
  • Verantwortung und Entscheidungsdruck: In Berufen mit hoher Verantwortung für das Wohlbefinden oder die Gesundheit anderer kann die psychische Belastung erheblich sein.
  • Arbeitsverdichtung und Zeitdruck: Hohe Fallzahlen, straffe Terminpläne und Personalmangel verstärken den Stress in der Interaktionsarbeit zusätzlich.

Möglichkeiten zur Verbesserung der Gefährdungsbeurteilung

Um die besonderen Belastungen der Interaktionsarbeit in der Gefährdungsbeurteilung angemessen zu erfassen, sind gezielte Maßnahmen erforderlich. Folgende Strategien haben sich bewährt:

1. Anpassung und Erweiterung vorhandener Instrumente

Bestehende GB-Verfahren sollten um interaktionsspezifische Faktoren ergänzt werden. Es gibt bereits einige geeignete Verfahren, die emotionale und kommunikative Belastungen berücksichtigen, z. B.

  • die BAuA-Checkliste „Psychische Belastung“
  • das Instrument „COPSOQ“ zur Erfassung psychosozialer Belastungen
  • der „Kurzfragebogen zur Arbeitsanalyse in Dienstleistungsberufen“ (KFZA)

2. Einbeziehung der Beschäftigten

Mitarbeitende sollten aktiv in den GB-Prozess einbezogen werden, beispielsweise durch Befragungen, Workshops oder Fokusgruppen. Ihre Erfahrungen sind essenziell, um Belastungsschwerpunkte zu identifizieren und realistische Präventionsmaßnahmen zu entwickeln.

3. Spezifische Schulungen für Führungskräfte und Beschäftigte

Führungskräfte müssen für die besonderen Belastungen der Interaktionsarbeit sensibilisiert werden, damit sie gezielt Maßnahmen ergreifen können. Beschäftigte sollten Strategien zur Emotionsregulation, zum Umgang mit Konflikten und zur Resilienzförderung erlernen.

4. Integration präventiver Maßnahmen in den Arbeitsalltag

Um den Belastungen der Interaktionsarbeit entgegenzuwirken, können verschiedene Maßnahmen implementiert werden:

  • Regelmäßige Supervisionen oder Fallbesprechungen zur emotionalen Entlastung
  • Klare Richtlinien und Unterstützung beim Umgang mit Konfliktsituationen
  • Anpassung von Arbeitsorganisation und Pausenzeiten zur Reduktion von Stress
  • Psychosoziale Unterstützungsangebote, z. B. durch Betriebsärzte oder externe Beratungsdienste

Fazit: Gefährdungsbeurteilung als Schlüssel zu nachhaltigem Arbeitsschutz

Die Interaktionsarbeit stellt hohe Anforderungen an die psychische und emotionale Belastbarkeit der Beschäftigten. Um langfristige gesundheitliche Folgen und hohe Fluktuation zu vermeiden, müssen Unternehmen die spezifischen Risiken systematisch in die Gefährdungsbeurteilung einbinden. Durch eine gezielte Anpassung der GB-Instrumente, die aktive Einbindung der Mitarbeitenden und präventive Maßnahmen lassen sich die Belastungen reduzieren und die Arbeitsqualität verbessern. Ein umfassender Ansatz zur Gefährdungsbeurteilung, der auch die interaktionsspezifischen Faktoren einbezieht, trägt maßgeblich zu einem gesunden und nachhaltigen Arbeitsumfeld bei.

Im Rahmen des Projektes wird ein Instrument zur Gefährdungsbeurteilung bei Interaktionsarbeit entwickelt und der betrieblichen Praxis zur Verfügung gestellt.