Social Service Engineering – Synergien von Arbeits- und Dienstleistungswissenschaft für die Verbesserung von Arbeit an und mit Menschen nutzen (SO-SERVE)
Für alle besser! – Arbeit an und mit Menschen gemeinsam gestalten |
Interaktionsarbeit – z. B in der Altenpflege oder Kinderbetreuung – findet häufig unter hohem Effizienzdruck statt. Der verbreitete Service Engineering-Ansatz ist Ausdruck dieser Effizienzorientierung. Dabei kommen wichtige Aspekte der Arbeit am Menschen – Gefühle, Austausch, Spontaneität – häufig zu kurz. Im Projekt soll Service Engineering deshalb zum Social Service Engineering weiterentwickelt werden: Digitale Lösungen sollen Beschäftigten dabei helfen, mehr Ressourcen für menschliche Zuwendung übrig zu haben.
Projektüberblick
Förderbekanntmachung: |
Zukunft der Arbeit: Arbeiten an und mit Menschen | |
Laufzeit: |
01.03.2020 bis 28.02.2023 | |
Schlagworte: |
Arbeitsgestaltung, Arbeitsbedingungen, | |
Anwendungsfelder: |
Ambulante Pflege, Kinderbetreuung | |
Selbsteinschätzung des Projekts in zentralen Dimensionen:
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Kontakt: |
Dr. Ulrike Pietrzyk Technische Universität Dresden Fakultät Psychologie Arbeitsgruppe Wissen-Denken-Handeln 01062 Dresden Tel.: +49 (0) 351 - 46336890 | |
Weblink: |
Projektspezifikation
Projektabstract
Die Arbeit an und mit Menschen unterliegt einem beständigen Ökonomisierungsdruck. Um die Arbeit wirtschaftlich und trotzdem fokussiert auf den Kundennutzen zu gestalten, wird der Ansatz des Service Engineering verfolgt. Dieser effizienzorientierte Ansatz, der sich mit der Gestaltung von Dienstleistungen unter Verwendung geeigneter Vorgehensweisen, Methoden und Werkzeugen befasst, steht allerdings im Widerspruch zu der speziellen Erwerbsform interaktiver Arbeit. Merkmale wie wechselseitige Kooperationen, der Umgang mit Emotionen und situativen Handlungsbedarfen werden nicht ausreichend integriert.
An dieser Stelle setzt das Projekt SO-SERVE an. Es hat sich zum Ziel gesetzt, unter Berücksichtigung technologischer Entwicklungen, den effizienzorientierten Service Engineering-Ansatz mit arbeitspsychologischen Gestaltungslösungen anzureichern, um somit auf die Besonderheiten von interaktiver Arbeit einzugehen. Das Service Engineering wird damit zum Social Service Engineering.
Im Projekt wird eine interdisziplinäre Kooperation umgesetzt: Die beschäftigtenorientierte Sicht der Arbeitspsychologie und -gestaltung wird ebenso berücksichtigt wie die ökonomische und klientenorientierte Sicht des Service Engineering. Nach einer Anforderungsanalyse werden Methoden für die Gestaltung von Interaktionsarbeit entwickelt und in den Anwendungsfällen Altenpflege und Kinderbetreuung erprobt und evaluiert. Die gewonnenen Erkenntnisse und Methoden unterstützen Praktiker bei der eigenständigen Gestaltung der Arbeit an und mit Menschen.
Verständnis von Interaktionsarbeit
Bei Interaktionsarbeit handelt es sich um eine Dienstleistungstätigkeit, die leistungsbestimmende Interaktionen von DienstleisterInnen und KlientInnen beinhaltet (Hacker, 2009). Interaktionsarbeit ist Erwerbsarbeit an und mit Menschen, die vertraglich vereinbart wurde. Sie enthält einen Tauschvorgang „Interaktion gegen Bezahlung“. Für Beschäftigte ist eine Klientin oder ein Klient der „Arbeitsgegenstand“. Beschäftigte können diesen Arbeitsgegenstand nicht einfach „bearbeiten“ wie ein Objekt, sondern müssen stets dessen Ziele, Wünsche, Meinungen, Handlungen, momentane Verfassungen usw. bei ihren Handlungen berücksichtigen. Für eine gelungene Interaktionsarbeit ist eine erfolgreiche Abstimmung der InteraktionspartnerInnen erforderlich.
Das Verständnis von Interaktionsarbeit hat sich im Laufe der Projektarbeit erweitert. In den betrachteten Anwendungsfeldern Kindertagesbetreuung und Pflege ist nicht nur die „Kern-Interaktion“ zwischen DienstleisterInnen und KlientInnen zentral, also die Interaktion zwischen ErzieherInnen und Kindern bzw. zwischen PflegerInnen und PatientInnen. Zusätzlich ist die Interaktion zu den Angehörigen der KlientInnen (z. B. Eltern der Kinder, Verwandte der PatientInnen) in den Fokus der Gestaltung von Interaktionsarbeit gerückt.
Projektziel
Übergeordnetes Projektziel ist die Entwicklung eines wissenschaftlich fundierten, praktisch erprobten und übertragbaren Rahmenkonzepts für eine menschengerechte Dienstleistungsgestaltung (Social Service Engineering), das sowohl Perspektiven als auch Fach- und Methodenwissen des Service Engineering und der Arbeitspsychologie integriert. Mithilfe geeigneter Methoden und Technologien sollen Beschäftigte entlastet werden und mehr Zeit für menschliche Zuwendung gewinnen, um den Ansprüchen ihrer KlientInnen, des Unternehmens sowie ihrem eigenen professionellen Selbstanspruch gerecht werden zu können. Der neue Gestaltungsansatz des Social Service Engineering inkludiert digitale Elemente zur systematischen Unterstützung der Gestaltung guter Interaktionsarbeit. Die kombinierte Berücksichtigung der Perspektiven des Service Engineering und der Arbeitspsychologie erlaubt es, die Arbeitsgestaltung mittels digitaler Elemente in der Interaktionsarbeit neu zu betrachten. So können technologische Potentiale für die Interaktionsarbeit empirisch, unter dem Leitgedanken der Qualität und Effizienz, erschlossen und gleichzeitig die Chancen und Risiken der Digitalisierung und Technologisierung für den Menschen bei der Arbeitsgestaltung berücksichtigt werden (z. B. Chance der Entlastung bei der Arbeit, Risiko der Verschlechterung der Klient-Dienstleister-Beziehung).
Ausgangslage bzw. Motivation zum Projekt
Seit der Initiative “Dienstleistungen für das 21. Jahrhundert” des Bundesministeriums für Bildung und Forschung steht die Entwicklung von Dienstleistungen im Fokus zahlreicher Forschungsaktivitäten.
Auf der einen Seite agiert die konstruktivistische Sicht des Service Engineering (= systematische Gestaltung der Dienstleistungsprozesse und -strukturen) mit dem Ziel der Etablierung “Guter Dienstleistungen” vor dem Hintergrund der Gestaltung qualitativ hochwertiger und produktiver Dienstleistungsangebote aus KlientInnensicht. Auf der anderen Seite fokussiert die Arbeitspsychologie auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen (Arbeitsinhalt / Arbeitsaufgabe, Arbeitsorganisation, soziale Beziehungen, Arbeitsumgebung) im Sinne “Guter Arbeit”. Es fehlen bisher integrative Konzepte, welche die ingenieurwissenschaftlich-wirtschaftliche und die arbeitspsychologische Perspektive vereinen und so Synergien für die Praxis nutzbar machen. Mit Blick auf die Verbesserung der Interaktionsarbeit wird daher eine Verknüpfung von Service Engineering und Arbeitspsychologie angestrebt.
Forschungsgegenstand
Im Projekt geht es schwerpunktmäßig um die menschengerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen in der Interaktionsarbeit, wobei die Expertise aus den Wissenschaftsfächern Arbeitspsychologie und Service Engineering verknüpft wird. Die Arbeitsgestaltung berührt unter anderem die Tätigkeitsmerkmale Informationsangebot, Qualifikation, Arbeitszeit, Kommunikation/Kooperation sowie soziale Beziehungen zu KollegInnen und Führungskräften. Ein weiterer Schwerpunkt liegt hierbei auf der Nutzung von Potenzialen der Digitalisierung im Bereich der sozialen Dienstleistungen.
Forschungsfragen
- Welche konkreten Unterstützungsbedarfe bestehen in der sich wandelnden Interaktionsarbeit, um die Arbeit menschengerecht zu gestalten?
- Wie können die Synergien von Arbeitspsychologie und Service Engineering genutzt werden, um den Unterstützungsbedarfen – unter Berücksichtigung aktueller technischer Entwicklungen – effektiv begegnen zu können?
Forschungsdesign und -methodik
Die iterative Entwicklung und Erprobung der SO-SERVE-Methoden erfolgt auf der Basis einer Querschnittuntersuchung in den Anwendungsfeldern. Die Analyseeinheit ist die Arbeitstätigkeit. Im Verbundprojekt werden dazu qualitative und quantitative Daten erhoben. Die Datenerhebung erfolgt mittels arbeitspsychologischer Beobachtungsinterviews (Begehungen), schriftlicher Befragungen, Interviews, Workshops sowie Dokumentenanalysen.
Projektkonsortium
Projektkoordinator | ||
Technische Universität Dresden, Bereich Mathematik & Naturwissenschaften, Fakultät Psychologie, Arbeitsgruppe Wissen-Denken-Handeln | ||
Wissenschafts- oder Praxispartner: Wissenschaftspartner | Branche: Wissenschaft | Standort (Hauptsitz): Dresden |
Aufgabe im Projekt: Arbeitswissenschaftliche Anforderungsanalyse, Gestaltung und Erprobung eines Rahmenkonzeptes für humanzentrierte Dienstleistungsarbeit | ||
Kurzbeschreibung zum Partner: Die Arbeitsgruppe Wissen-Denken-Handeln bearbeitet seit über 20 Jahren Forschungs-, Praxis- und Transferprojekte im Bereich der psychologisch fundierten Arbeits- und Organisationsgestaltung. Darüber hinaus fokussiert sie die Themen Prävention, betriebliche Gesundheitsförderung, Digitalisierung sowie Veränderungs- und Innovationsprozesse. Im Rahmen ihrer Tätigkeit knüpft sie an die Tradition der einflussreichen „Dresdner Schule der Arbeits- und Organisationspsychologie“ an und verfolgt die Ziele der Leistungs-, Lern- und Gesundheitsförderung im Arbeitskontext. Der Erfolg und die Nachhaltigkeit der Projekte werden durch ein partizipatives Vorgehen und durch die enge Verbindung von Forschung und Praxis gesichert. | ||
Projektpartner | ||
Universitätsrechenzentrum der Universität Leipzig | ||
Wissenschafts- oder Praxispartner: Wissenschaftspartner | Branche: Wissenschaft | Standort (Hauptsitz): Dresden |
Aufgabe im Projekt: Technische Anforderungsanalyse, Gestaltung und Erprobung eines Rahmenkonzeptes für humanzentrierte sowie effiziente Dienstleistungsarbeit | ||
Kurzbeschreibung zum Partner: Das Universitätsrechenzentrum (URZ) ist das zentrale Service- und Kompetenzzentrum für den Einsatz von Informationstechnologie in Forschung, Lehre, Studium und Verwaltung an der Universität Leipzig. Die Abteilung „Forschung und Entwicklung“ verstärkt seit 2013 die wissenschaftliche Ausrichtung des URZ und fokussiert vielfältige Arbeitsschwerpunkte wie Datenmanagement und Softwareintegration, Semantische Technologien und Big Data. Vertiefend werden im Bereich Service Engineering die Entwicklung IT-basierter Dienstleistungen sowie die ingenieurmäßige ganzheitliche Integration komplexer IT-Strukturen in enger Kooperation mit anderen Anwendungsdisziplinen betrachtet. Der im Projekt repräsentierte Forschungsbereich „Digitalisierung Arbeits- und Lebenswelten“ fokussiert auf die Analyse und Gestaltung von digitalen Transformationsprozessen und deren Prämissen innerhalb der Arbeits- und Lebenswelt. |
Projektpartner | ||
vital.services GmbH | ||
Wissenschafts- oder Praxispartner: Praxispartner | Branche: Dienstleistung | Standort (Hauptsitz): Leipzig |
Aufgabe im Projekt: Bereitstellung und Anpassung technischer Lösungen; Evaluation und Sicherstellung der Praxistauglichkeit des entwickelten Rahmenkonzeptes | ||
Kurzbeschreibung zum Partner: Die vital.services GmbH ist spezialisiert auf wertorientierte digitale Anwendungen. Mit mobilen Mehrwertapplikationen und -diensten unterstützt das Leipziger Unternehmen Gesundheits- und Sozialdienstleister bei Aufbau und Gestaltung regionaler Netzwerke. Mit Fokus auf Multiplikationsfähigkeit vereint vital.services technisches, fachliches und betriebswirtschaftliches Knowhow, um innovative Ansätze in den Praxisalltag von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen zu transformieren und nachhaltig zu betreiben. Mit der Regionalen Servicestelle Betriebliche Gesundheit (RSBG) betreut die vital.services kleine und mittlere Unternehmen im Vogtlandkreis in Themenfeldern der Betrieblichen Gesundheit. Die RSBG informiert, begleitet und vernetzt Unternehmen. Kleine Unternehmen können sich so zusammenschließen und ein Betriebliches Gesundheitsmanagement betreiben, wie es sich sonst nur große Unternehmen leisten können. | ||
Projektpartner | ||
Bosold Pflege GmbH | ||
Wissenschafts- oder Praxispartner: Praxispartner | Branche: Gesundheitswesen | Standort (Hauptsitz): Leipzig |
Aufgabe im Projekt: praktische Erprobung des entwickelten Rahmenkonzeptes im Bereich der mobilen Pflegedienstleistungen | ||
Kurzbeschreibung zum Partner: Die Bosold Pflege GmbH ist ein 2005 gegründeter Pflegedienst mit Betreutem Wohnen und Tagespflege im Leipziger Süden. Im Fokus des pflegerischen Verständnisses steht die Selbstbestimmung hilfebedürftiger Menschen und das Bestreben, diesen größtmögliche Autonomie in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Dabei wird Führung als Rahmengeber betrachtet, die den Pflegekräften die eigenverantwortliche Steuerung des kompletten Pflegeprozesses in Zusammenarbeit mit den Hilfebedürftigen und deren Angehörigen ermöglicht. Seit drei Jahren ist die Bosold Pflege GmbH Träger von selbstorganisierenden Pflegeteams nach dem niederländischen Buurtzorg-Modell, in dem kleine Pflegeteams in ihrem Quartier Hilfe leisten, organisieren und koordinieren. | ||
Projektpartner | ||
Kindervereinigung Leipzig e.V. | ||
Wissenschafts- oder Praxispartner: Praxispartner | Branche: Kinderbetreuung | Standort (Hauptsitz): Leipzig |
Aufgabe im Projekt: praktische Erprobung des entwickelten Rahmenkonzeptes in Kindertageseinrichtungen | ||
Kurzbeschreibung zum Partner: Die KINDERVEREINIGUNG Leipzig e. V. (KVL) ist seit 1999 als Träger von Kindertageseinrichtungen und Einrichtungen der Jugendhilfe in der Stadt Leipzig, dem Landkreis Leipzig und im Landkreis Mittelsachsen tätig. Im Bereich der Kinderbetreuung betreibt der e. V. derzeit 13 integrative Einrichtungen und betreut ca. 1.165 Kinder im Vorschulalter. Die KVL versteht ihre Kitas als Zentren der Bildung, Begegnung und des Zusammenlebens von Kindern, ihren Familien und unseren MitarbeiterInnen. Entsprechend ihrer Vision möchte die KINDERVEREINIGUNG Leipzig e. V. nicht nur InnovationsführerIn im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sein, sondern auch eine attraktive ArbeitgeberIn für die MitarbeiterInnen. Innovative Konzepte und Lösungen sichern den erfolgreichen Umgang der KINDERVEREINIGUNG Leipzig e. V. mit den immer komplexeren Herausforderungen. |