Drei Fragen an RespectWork – Entwicklung gegenseitigen Respekts in der Kundeninteraktion zur Verbesserung von Arbeits- und Dienstleistungsqualität
„Drei Fragen an…“ ist ein Kurzinterview-Format, in dem Projekte aus dem Förderschwerpunkt über ihre Arbeit berichten.
Datum 21.10.2021
Gegenseitiger Respekt zwischen KundInnen und Beschäftigten stellt eine zentrale Voraussetzung für ein positives Arbeitsklima und eine gute Arbeitsqualität im Einzelhandel dar. Während sich die Beschäftigten einen respektvollen Umgang im Verkaufsgespräch wünschen, erwarten die KundInnen eine respektvolle und zuvorkommende Behandlung durch das Verkaufspersonal. Wenn beides erfüllt wird, besteht das Potenzial, die zwischenmenschliche Arbeit „gut“ zu gestalten und die Kundenbindung zu stärken. Dem entgegenstehend berichten Beschäftigte jedoch von einer zunehmenden Respektlosigkeit. Diese stellt für die Arbeitnehmenden eine Belastung dar, die sich schlussendlich auch für die Dienstleistungsunternehmen negativ auswirken kann.
Trotz der großen Bedeutung des gegenseitigen Respekts, existieren bislang kaum Untersuchungen zu der Thematik. Zudem fehlt es an praxisgerechten Konzepten für die Beratung von Betrieben und Beschäftigten, die oft nicht in der Lage sind, mit den beschriebenen Herausforderungen adäquat umzugehen.
RespectWork will die Rahmenbedingungen der Dienstleistungsinteraktion durch konkrete Maßnahmen und Empfehlungen so gestalten, dass eine respektvolle und nachhaltige Interaktion zwischen Beschäftigten und KundInnen möglich ist. Auf Basis einer sozialwissenschaftlichen Untersuchung entstehen einerseits institutionalisierte Weiterbildungsangebote sowie Beratungskonzepte für Beschäftigte, andererseits werden Betriebe durch ein Tool zur Gefährdungsbeurteilung dabei unterstützt, das Thema stärker zu berücksichtigen und Rahmenbedingungen anzupassen.
1. Welche Auswirkungen hat die Respektlosigkeit auf die Interaktionsarbeit?
Respekt ist ein aktiver Versuch des Verstehens der anderen, ihres Handelns und der Situation, in der sie sich befinden. Jemanden zu respektieren, heißt, dass diese andere Person mit Recht Ansprüche an mein Verhalten stellt und ich entsprechend handeln sollte. Andere Personen zu respektieren heißt, sie ernst zu nehmen, Rücksicht zu nehmen auf ihr Wesen und ihr Menschsein. Respekt ist damit die Basis für gelungene Interaktion zwischen Menschen.
Wenn einE InteraktionspartnerIn gegen diese Grundlage verstößt, dann endet im normalen Alltagsleben die Interaktion. Wenn jemand unhöflich oder unverschämt wird, weist man ihn im privaten Bereich zurecht oder wendet sich ab. In der professionellen Interaktionsarbeit ist das anders: Wenn die Kundschaft Respekt vermissen lässt, sich unhöflich oder unverschämt benimmt, wird vom Verkaufspersonal trotzdem erwartet, die Interaktionssituation „professionell“ zu einem guten Ende zu führen. Wenn der Respekt auf Seiten der Kundschaft weiter abnimmt, dann wird die Interaktionsarbeit immer schwerer und belastender für die Beschäftigten. Und hier benötigen sie Unterstützung.
Im Projekt RespectWork wollen wir daher Lösungen für die Beschäftigten entwickeln, die sie in die Lage versetzen, noch professioneller mit der Kundschaft umzugehen und schwierige Situationen zu meistern. Die Unternehmen und Geschäfte werden wir darin unterstützen, ihren Beschäftigten den Umgang mit respektlosen KundInnen zu erleichtern. Zudem sollen Ideen entwickelt werden, wie die Kundschaft dazu bewegt werden kann, Respekt zu zeigen.
Mit unserer Arbeit im Projekt RespectWork werden wir dazu beitragen, wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen und auf dieser Basis Voraussetzungen für ein verändertes Verhalten für die Unternehmen und die Beschäftigten, für die KundInnen, für die Branche und vielleicht sogar für die Gesellschaft zu bewirken.
2. Wie können Beschäftigte auf Respektlosigkeit bei der Arbeit reagieren?
Respektvolle Interaktion im Einzelhandel ist das Ergebnis eines gelungenen Kommunikationsprozesses zwischen den Beschäftigten und der Kundschaft. Spezifische Kompetenzen, Respekt zu geben und Respekt einzufordern, sind erlernbar. Die Entwicklung eines solchen Qualifizierungsansatzes für Beschäftigte im Einzelhandel ist daher eine Zielstellung des Projektes RespectWork.
Das Weiterbildungskonzept „Respektvolle Interaktion“ umfasst dabei zunächst eine Reihe von Basiskompetenzen für die Gestaltung von Kommunikationsbeziehungen und Interaktionssituationen, die jeweils in frei kombinierbaren Lernmodulen vermittelt werden: Grundlagen der Kommunikation und Interaktion, Konfliktlösung, Deeskalation, Emotionsregulation, non-verbale Interaktion.
All diese Bildungseinheiten dienen dazu, den Beschäftigten im Einzelhandel die notwendigen Kompetenzen zu vermitteln, um in Interaktionssituationen mit der Kundschaft Probleme zu erkennen und die Interaktion aktiv zu gestalten. Damit verfügen sie über das Rüstzeug dafür, Respekt zu geben und zu fordern, aber noch nicht über das professionelle Selbstbewusstsein, dies auch im Berufsalltag zu tun.
Die Teilnehmenden sollen daher in Rahmen des Bildungsprogramms auch die eigene Einstellung zum Beruf und zu ihrer Tätigkeit kritisch reflektieren und in der Lerngruppe gemeinsam einen professionellen Habitus entwickeln. Dies sorgt dafür, KundInnen im Berufsalltag auf Augenhöhe zu begegnen und so ein kommunikatives Grundsetting aufzubauen, das auf gegenseitigem Respekt basiert.
Es ist uns im Projekt aber ganz wichtig, die Lösung der Problematik nicht allein auf das Verhalten der Beschäftigten zu fokussieren. Es gibt auch viele Ansatzpunkte in den Geschäften selbst, um respektvolle Interaktion vorzubereiten und zu begleiten. Einer unserer Praxispartner formuliert es so: „Der Respekt entsteht oder fehlt nicht erst in der Kundeninteraktion, sondern es beginnt schon auf dem Parkplatz. Wenn KundInnen in der Verkaufssituation respektlos werden, ist es eigentlich schon zu spät.“ Daher entwickeln wir auch Beratungsansätze für Geschäfte, um respektfördernde Rahmenbedingungen zu schaffen. Die PraxispartnerInnen haben zudem die Chance, bezogen auf ihre Maßnahmen im betrieblichen Gesundheitsmanagement von den innovativen Ansätzen des arbeitswissenschaftlichen Konzepts der Interaktionsarbeit zu profitieren.
3. Welche Gefahren birgt die Respektlosigkeit für die Beschäftigten und wie kann ein Bewusstsein der KundInnen für einen respektvollen Umgang geschaffen werden?
Respekt und Respektlosigkeit sind Begriffe, die im Arbeitsschutz bei der Beurteilung der Gefährdungen durch die Arbeit bisher selten genutzt werden. Es wird eher von „Wertschätzung und Anerkennung“ oder von „herablassender Behandlung“ und von „Konflikten mit Kundschaft“ gesprochen – und auch das erst in den letzten Jahren.
Die Arbeitswissenschaft weiß: Verkaufstätigkeit geht einher mit hohen emotionalen Anforderungen wie kontinuierlicher Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und einem Anspruch an kompetentem Umgang mit einer Vielzahl an Unwägbarkeiten bei der Interaktion von Mensch zu Mensch. Die Tätigkeit erfordert viel Sensibilität, Emotions- und Gefühlsarbeit sowie Empathie und Mitgefühl mit den KundInnen. Soziale Kompetenzen werden ebenso wie ein hohes Maß an Selbstreflexion, Selbstkontrolle und situativem Handeln benötigt und gefordert. Es bedarf einer schnellen Auffassungsgabe in der Beratung der KundInnen, aber auch im Bedienen der Kassensysteme oder weiterer digitaler Arbeitsmittel.
Zugleich ist gut belegt, dass die Sinnhaftigkeit der Arbeit von den Beschäftigten hoch eingeschätzt wird, z.B. als wichtiger Beitrag zum gesellschaftlichen Leben angesehen wird. Das ist eine wichtige Ressource, ebenso wie Lob und die Anerkennung durch die Kundschaft bei einer gelungenen Interaktion. Dies kann eine wichtige Quelle für die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten sein.
Respekt bei der Arbeit als Grundlage „gesunder“ und „humaner“ Interaktionsarbeit, so die Grundaussage des Projektes RespectWork, ist damit ein wichtiger Faktor für die Motivation, die Zufriedenheit und die Gesundheit der Beschäftigten im Einzelhandel. Fehlender Respekt in der täglichen Arbeit oder gar das Erleben von offener Respektlosigkeit ist hingegen eine schwer zu verarbeitende persönliche Kränkung und arbeitsbedingte psychische Belastung. Sofern die Unternehmen die Arbeitsbedingungen mit dem Instrument der Gefährdungsbeurteilung aus dem Arbeitsschutzgesetz nicht vollständig analysieren, die psychischen Gefährdungen unbeachtet bleiben und keine wirksamen Schutzmaßnahmen existieren, nehmen betroffene Beschäftigte die unverarbeiteten belastenden Erlebnisse mit in das Privatleben und tragen das Risiko einer länger anhaltenden Beeinträchtigung von Wohlbefinden und Gesundheit.
Das Verhalten der Kundschaft im positiven Sinne zu verändern, ist eine Option, die wir in RespectWork durchaus verfolgen wollen, auch wenn es natürlich eine anspruchsvolle Zielsetzung ist. Im Projekt wurde dazu die Idee eines integrierenden Beratungs- und Informationsangebotes entwickelt, das konkret in den Geschäften umgesetzt werden kann und KundInnen anspricht. Ziel ist es, Information und Intervention zu integrieren und gleichzeitig durch eine Befragung Daten zu erheben, die die wissenschaftliche Erforschung der Grundlagen respektvollen Umgangs unterstützen.
Die Grundidee besteht darin, in Einzelhandelsgeschäften sogenannte „Respektwochen“ durchzuführen, um das Thema Respekt in den Geschäften Fokus zu rücken, die KundInnen für das Thema zu sensibilisieren, respektfördernde Bedingungen aus Sicht der Kundschaft und der Mitarbeitenden empirisch zu bestimmen und auf Ebene des einzelnen Geschäfts Handlungsoptionen zu generieren.
Zu Beginn der „Respektwochen“ wird das Thema Respekt in den Geschäften durch Poster, Warentrenner, Buttons, T-Shirts etc. adressiert. Im Idealfall ergibt sich dadurch die erste Kommunikation zwischen Kundschaft und Beschäftigten zum Thema Respekt. Mit Statements „Respekt ist…“ auf Werbemitteln und Giveaways vermitteln wir, um was es uns geht: zuhören, höflich sein, respektvoll handeln usw... Am Schluss geht es um Aktionen, in denen die Kundschaft aktiv einbezogen wird: KundInnen können sich z.B. Buttons anstecken oder Aufkleber verteilen, um selbst die Aktion zu unterstützen.
Nach den Respektwochen für die KundInnen erfolgt die Auswertung für die Geschäfte. Durch die kombinierte KundInnen- und Beschäftigtenbefragung können wir evaluieren, ob sich durch die Respektwochen etwas im Verhalten und der Einstellung geändert hat und wenn ja, was genau, und hieraus Strategien für die Schaffung respektfördernder Arbeit für das einzelne Geschäft generieren.