Drei Fragen an KILPaD – Kommunikation, Innovation und Lernen in der Produktionsorganisation unter Bedingungen agiler Digitalisierung
„Drei Fragen an…“ ist ein Kurzinterview-Format, in dem Projekte aus dem Förderschwerpunkt über ihre Arbeit berichten.
Datum 19.07.2022
Im Zuge der Digitalisierung kommt es zu einer Neugestaltung kommunikativer Abläufe zwischen Mensch, Maschine, Betrieb, Organisation und Wirtschaft. KILPaD untersucht diese Neugestaltung an verschiedenen Schnittstellen und die damit verbundenen Anforderungen an das betriebliche Lernen. Der Fokus dabei liegt auf der Exploration der Innovations- und Verbesserungsfähigkeit sowie der Lernförderlichkeit relevanter Schnittstellen und der dazugehörigen Systeme.
Ziel ist es, die KMU bei der Re-Formatierung der entscheidenden Schnittstellen analysierend sowie gestaltend zu begleiten und sie dabei zu unterstützen, ihre Produktionsorganisation zu reflektieren und zukunftssicher weiterzuentwickeln.
Mithilfe des eingerichteten Digitalisierungszirkels und durch den Austausch zwischen den KMU können die gewonnenen Erkenntnisse analysiert, verglichen und während des Projektverlaufs in die Weiterentwicklung der Organisation übersetzt werden.
1. Was sind die drei spannendsten Erkenntnisse aus der Forschung?
1. Die Digitalisierung verändert die Form der kommunikativen Vernetzung des Betriebes. An den Oberflächen digitaler Techniken kommt es zu einer veränderten Synchronisierung zwischen den Operationen von Rechnern und Maschinen und dem Wahrnehmen, Verstehen und Kommunizieren von AnwenderInnen in der Horizontalen (Wertschöpfungskette) und der Vertikalen (Hierarchie) ihrer Organisation. Dabei kennzeichnet die Digitalisierung, dass Problem und (digitale) Lösung nicht zur Deckung kommen. Vielmehr stößt man durch jede Lösung nicht nur auf neue Probleme, sondern kommt auch auf neue Ideen.
2. Die Digitalisierung ist dann intelligent, wenn sie zu einem Lernprozess der Auseinandersetzung mit der zu digitalisierenden analogen Praxis und den Problembeschreibungen und Lösungsvorstellungen der künftigen AnwenderInnen des Digitalen wird. Nur dann versorgt sich die Digitalisierung auch mit der Akzeptanz, die sie benötigt, um in den Entscheidungen der AnwenderInnen Berücksichtigung zu finden.
3. Wir haben es mit einem „endogenen Inkrementalismus“ der Entwicklung der Produktion durch unterschiedliche Formen der Digitalisierung zu tun. Wir beobachten in den KMU keinen disruptiven Wandel. MitarbeiterInnen werden eher freigespielt von manchen mitunter monotonen Aufgaben. Dies kann sowohl zu Dequalifizierungen als auch zur Weiterentwicklung von Kompetenzen durch die Übernahme zusätzlicher Aufgaben oder neuer Übersichten über Prozesse führen. Ein wichtiger Aspekt der lernförderlichen Implementierung von Digitalisierung ist folglich die Gestaltung der durch sie entstehenden Freiräume.
2. Was könnten Anknüpfungspunkte aus dem Projekt für folgende Forschungsprojekte sein? / Welche Folgestudien könnten auf das Projekt aufbauen? Wie kann die Digitalisierung so angelegt werden, dass Räume zur Reibung erhalten bleiben und Innovationspotenziale nicht eingebüßt werden?
Wie kann die Digitalisierung zur Bildung von Arbeitsbündnissen mit Produktionsmitarbeitern genutzt werden, die auch nach Digitalisierungsvorhaben bestehen bleiben und sich der Weiterentwicklung von Prozessen widmen?
Wie kann die Digitalisierung ihren Ausgangspunkt in Problembeschreibungen und Lösungsideen von AnwenderInnen finden, anstatt ausschließlich von ‚oben‘ initiiert zu werden? Wie können individuelle und organisationale Lernprozesse miteinander verknüpft werden, um zu dieser neuen Form der Steuerung von Digitalisierungsvorhaben zu gelangen?
Wie kann das mathematische Formkalkül von George Spencer-Brown soziologisch dafür genutzt werden, um die komplexen Voraussetzungen von Digitalisierungsprojekten besser zu erforschen und zu visualisieren?
3. Welche Gestaltungsmaßnahmen ergeben sich aus dem Projekt für die Interaktionsarbeit?
Im Projekt KILPaD betrifft Interaktionsarbeit in erster Linie die für manche Betriebe ungewohnte Arbeit an der Interaktion zwischen verschiedenen „Disziplinen“ des Betriebs, so vor allem Geschäftsführung, Management, Fachbelegschaft und Instandhaltung. Digitalisierung ist nur als „Projekt“ der intensiven Abstimmung zwischen Arbeit, Technik, Planung und Vertrieb möglich. Wir konnten feststellen, dass die Interaktion in diesem Bereich umso erfolgreicher ist, je mehr es gelingt, bisher übersehene Spezifika der Leistungen der einzelnen Disziplinen in das Blickfeld zu rücken. Interaktion dient hier der Selbstthematisierung und damit dem Gewinn der Strategie- und Entwicklungsfähigkeit eines Betriebs.